Autoarmes Ottensen: Verkehrswende gemeinsam gestalten Mitteilungsdrucksache zum Beschluss der Bezirksversammlung vom 20.02.2020
Die Bezirksversammlung Altona hat in ihrer Sitzung vom 20.02.2020 anliegende Drucksache 21-0689 beschlossen.
Das Bezirksamt Altona hat hierzu mit Schreiben vom 25.06.2020 wie folgt Stellung genommen:
Die Umsetzung des gesamten Beschlusses „Autoarmes Ottensen: Verkehrswende gemeinsam gestalten“ inklusive aller Unterpunkte kann nur mit zusätzlichen personellen Ressourcen sowie Sachmitteln erfolgen. Deswegen nimmt das Bezirksamt, mit Ausnahme von Punkt 2 des Beschlusses, übergeordnet Stellung wie folgt:
Die Beantragung befristeter zusätzlicher personeller Ressourcen bei der Finanzbehörde wurde angeschoben, erweist sich jedoch als sehr aufwändig und zeitintensiv. Dieser Prozess dauert daher länger als geplant, wird jedoch prioritär bearbeitet. Aufgrund von Abhängigkeiten mit anderen Dienststellen ist derzeit noch nicht genau absehbar, zu wann neue Stellen besetzt werden können.
Was die Sachmittel für die Umsetzung (Planungs- und Baukosten) betrifft, ist das Bezirksamt ebenfalls auf finanzielle Unterstützung der Fachbehörden angewiesen und wirbt diese aktiv bei den zuständigen Behörden ein. Dies erfolgt prioritär.
Zu 2:
Derzeit läuft ein Vergabeverfahren für eine gemeinsame Reflexion vergangener Beteiligungsprozesse mit externen Experten. Der Auftrag enthält auch die Entwicklung von Bausteinen für einen zukünftigen Beteiligungsprozess, der auf die Planungs- und Umsetzungsbausteine abgestimmt ist und für die Umsetzung des Beschlusses notwendig ist. Hierzu gehört auch die Entwicklung einer Zeitschiene. Die Umsetzung des extern zu vergebenden Auftrags zur Erarbeitung dieser Bausteine erfolgt in sehr enger fachlicher Abstimmung mit dem Verkehrsausschuss.
Zudem wird derzeit eine grobe Kostenschätzung für den Planungs-, Beteiligungs- und Umsetzungsprozess erstellt.
Die Behörde für Inneres und Sport (BIS) hat mit Schreiben vom 03.07.2020 wie folgt Stellung genommen:
Die Behörde für Inneres und Sport wird den Prozess wie bisher zugewandt und konstruktiv begleiten. Es ist erkennbar, dass der Wunsch besteht, nur den Durchgangsverkehr und Kundenverkehr fernzuhalten, ansonsten aber alle weiteren Anliegen weiter zu bedienen. Dies dürfte nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherheit sondern auch aus rechtlichen Gründen schwierig werden, weil zu viele zu berücksichtigende Anliegen die Überwachung erschweren, weil es dann keine offensichtlichen Verstöße gibt, sondern jeder Verstoß nach Prüfung des Einzelfalls festgestellt werden muss.
Dies vorausgeschickt äußert sich die Behörde für Inneres und Sport wie folgt:
Die BIS ist bereit, den Planungsprozess aktiv zu unterstützen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass straßenverkehrsbehördliche Anordnungen nur nachvollziehen und kennzeichnen, was der Träger der Straßenbaulast bzw. die örtlichen Planungsbehörden vorgeben (zuletzt Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27.01.2020, Az. 15 E 5674/19 und 15 E 5728/19). Auch aufgrund der Beispielfunktion des in Rede stehenden Gebietes in Ottensen für weitere geplante autoarme Bereiche ist es daher zwingend geboten, hier zunächst ein rechtlich einwandfreies, d.h. u.a. unter Bürgerbeteiligung zustande gekommenes, funktionales, für den Bürger selbsterklärendes und verständliches Verkehrskonzept zu erstellen. An dessen Abstimmung sind auch die Straßenverkehrsbehörden zu beteiligen. Dem Verkehrskonzept zu Grunde liegen sollte eine sorgfältige Erhebung des Bestandes der im Gebiet vorhandenen Verkehre und Nutzungsarten. Bestimmte Nutzungsarten wie beispielsweise fachärztliche Praxen o.ä. haben bestimmte Zielverkehre zur Folge, deren Ausschluss sich als besonders sensibel erweisen kann.
Ferner ist Voraussetzung für straßenverkehrsbehördliche Anordnungen, die bestimmte Verkehrsarten ausschließen, dass eine straßenrechtliche Teileinziehung erfolgt. Dieser in Hamburg als wegerechtliche Umwidmung bezeichnete Verwaltungsakt ist justiziabel. Insofern wird es als sachgerecht erachtet, eventuell gegen die Umwidmung geführte Rechtsstreitigkeiten abzuwarten, bevor deren straßenverkehrsrechtliche Umsetzung erfolgt.
Auf Basis dieser Vorarbeiten können straßenverkehrsbehördliche Anordnungen unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1b Nr. 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erfolgen (VG Hamburg. a.a.O.).
Die BIS weist allerdings darauf hin, dass die angestrebte Mischung der Verkehrsarten rechtmäßig durch straßenverkehrsbehördliche Anordnungen nicht umgesetzt werden kann, da die StVO ein entsprechendes Instrumentarium nicht hergibt. Zu den vorgegebenen Maßnahmen des Beschlusstextes wird hierzu im Einzelnen wie folgt Stellung genommen:
Zu 1:
Die Erreichbarkeit von Gewerbebetrieben muss in der zukünftigen Grundauslegung vom Verfahrensträger betrachtet und bewertet werden.
Die StVO bietet kein ausreichendes Instrumentarium um einerseits eine Förderung des Fußgängerverkehrs und andererseits die Erreichbarkeit der Grundstücke, die Aufrechterhaltung des Wirtschaftsverkehrs im innerstädtischen Bereich gleichermaßen zu gewährleisten.
Da die Ausweisung als „verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“ seitens der Bezirksversammlung als unzureichend bewertet wird, kommt verkehrsrechtlich als „Steigerung“ lediglich die Ausweisung als Fußgängerzone in Betracht. Dieses entspricht der Beschilderung im Rahmen des Projektes „Ottensen macht Platz“. Eine „Begegnungszone“ ist demgegenüber nach der StVO nicht vorgesehen.
Die rechtlichen Vorgaben einer Fußgängerzone mit den gewünschten Ausnahmen in Einklang zu bringen, ist jedoch aus straßenverkehrsbehördlicher Sicht problematisch.
Rechtlich betrachtet sind Fußgängerzonen „Gehwege“. Diese obliegen gemäß StVO und der dazugehörigen Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO) entsprechenden Nutzungseinschränkungen.
Der Vorrang des Fußgängers wird eindeutig hervorgehoben. Eine Nutzung durch andere Verkehrsarten, sprich dem „Fahrverkehr“, hat restriktiv zu erfolgen, ist rechtlich als „untergeordnet“ einzustufen und nur in Schrittgeschwindigkeit zulässig. Um notwendigen Lieferverkehr zu ordnen, ist dieser grundsätzlich auf die gesondert festzulegenden Lieferzeiten zu beschränken.
Aufgrund der Gestaltung und rechtlichen Widmung von Fußgängerzonen gelten Spezialregelungen der StVO (z.B. Rechtsfahrgebot, Vorfahrtsregelung) nicht, sondern es finden die Grundregeln des § 1 StVO Anwendung.
Die Einrichtung einer Fußgängerzone hätte Verdrängungsverkehre in Nebenstraßen zur Folge. Negative Auswirkungen auf Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste sind bedingt durch die niedrigere zulässige Geschwindigkeit auch unter Inanspruchnahme der Sonderrechte nicht auszuschließen.
Zu 2:
Der Umbau des Gebietes obliegt dem Bezirksamt (BZA) unter Berücksichtigung der zukünftigen Widmung.
Ob die beabsichtigte baulich gestalterische Trennung von Fußgänger- und Radverkehr rechtlich mit den Vorschriften des Straßenbaulastträgers (ReStra und FGSV-Regelwerke), aber vor allem mit den Vorschriften für die Straßenverkehrsbehörden (StVO und VwV-StVO) zu vereinbaren ist, ist im weiteren Planungsverlauf zu klären. Die BIS verweist in diesem Zusammenhang auf die „Erkennbarkeit“ der Nutzungen für alle (auch nur durch Ausnahmeregelungen) zugelassenen Verkehrsteilnehmer.
Die bauliche Herstellung der Straßenverkehrsflächen obliegt dem zuständigen Straßenbaulastträger unter Berücksichtigung der beabsichtigten Nutzung sowie entsprechender Widmung. Ein Einvernehmen aller zu beteiligenden Behörden ist herzustellen.
Zur Erstellung des geplanten Konzeptes ist es erforderlich, seitens des Bezirksamts Altona alle in dem Gebiet existierenden Bedarfe, wie beispielsweise gewerblich bedingte Belieferungen, Zufahrten auf Privatgrundstücke, aber auch Aufstellflächen der Feuerwehr auf öffentlichem Grund oder Anfahrbarkeit entsprechender Zufahrten, zu ermitteln, zu berücksichtigen und die sich daraus ergebenden Bedarfe entsprechend zu gewichten. Die Straßenverkehrsbehörde wird diesen Prozess begleiten.
Zu 3 a:.
Zur klaren fachlichen Differenzierung ist es erforderlich, künftig folgende (gebräuchliche) Terminologie zu vereinbaren:
Stellplätze:
Parkplätze auf Privatgrund (für Bewohner und Gewerbetreibende)
Parkstände:
Parkplätze auf öffentlichen Grund (für Besucher)
Im Bereich von Fußgängerzonen sind gemäß StVO keine Parkstände zulässig.
Zu 3 b:
Im Rahmen des zu erstellenden Verkehrsgutachtens sind diesbezüglich Konzepte zu erstellen, welche die Unterbindung von Schleichverkehren ermöglichen. Eine Beschilderung wird als unzureichend angesehen, da eine lückenlose polizeiliche Überwachung nicht zu gewährleisten ist. Das Konzept müsste somit insbesondere durch bauliche Maßnahmen umgesetzt werden.
Zu 3 c:
Die generelle Freigabe von Taxen steht nach hiesiger Einschätzung rechtlich nicht im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben einer Fußgängerzone. Vor allem sind hierbei die wegerechtlichen und straßenverkehrsbehördlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen (siehe auch Punkt 6).
Zu 3 d:
Siehe 3 c.
Zu 3 e:
Die Einrichtung der Pickup-Points ist sinnvoll und hat sich in der Testphase bewährt. Die Überwachung würde im Rahmen der personellen Möglichkeiten des PK 21 erfolgen. Im Rahmen der geplanten Gebietserweiterung sind die Standorte ggf. anzupassen.
Zu 3 f:
Dieses wird nur im Rahmen von Sondernutzungserlaubnissen durch das Bezirksamt Altona sowie durch Ausnahmegenehmigungen der örtlichen Straßenverkehrsbehörde des PK 21 bzw. des Landesbetriebs Verkehr (LBV) zu realisieren sein. Im Rahmen der Erteilung der Ausnahmegenehmigungen sind die besonderen Belange des Fußgängerverkehrs gegenüber anderen Verkehrsarten zu berücksichtigen.
Beschilderungen von Haltverbotsstrecken, wie sie z.B. bei Umzügen und anderen Arbeitsstellen üblich sind, könnten zudem aufgrund der Bestimmungen der StVO hier rechtlich nicht angeordnet werden.
Zu 3 g:
Kein Beitrag der BIS.
Zu 3 h:
Dieses fällt in die Zuständigkeit des Bezirksamts Altona.
Sollte die zeitlich uneingeschränkte Befahrung des Gebietes durch Menschen mit Behinderung beabsichtigt sein, wird darauf hingewiesen, dass dieses durch eine Beschilderung rechtlich nicht realisierbar ist. Zudem ist die Anordnung und Beschilderung allgemeiner barrierefreier Parkstände in einer Fußgängerzone rechtlich nicht möglich.
Zu 3 i:
Kein Beitrag der BIS
Zu 3 j:
Hier ist zwischen kurzfristigen Anordnungen (Zuständigkeit des PK 21) und langfristigen Anordnungen (LBV) zu differenzieren. Die BIS wird Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsabläufe im Rahmen der Kundenorientierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit unterstützen. Die Zuständigkeit für die ministerielle Begleitung zumindest der langfristigen Anordnungen wird allerdings, soweit sie beim LBV verbleibt, der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende obliegen.
Zu 4:
Die Evaluation ist durch das Bezirksamts Altona vorzunehmen bzw. zu beauftragen.
Zu 5:
Ein einzig auf Beschilderung basierendes Konzept wird als unzureichend erachtet. Nur durch bauliche Veränderung lässt sich langfristig das gewünschte Ziel realisieren.
Zu 6:
Die Zuständigkeit für die Widmung obliegt dem Bezirksamt Altona.
Die VwV-StVO gibt zu den Zeichen 242.1 und 242.2 -Beginn und Ende eines Fußgängerbereichs- folgendes vor: „Fahrzeugverkehr darf nur nach Maßgabe der straßenrechtlichen Widmung zugelassen werden.“
Aufgrund dieser Formulierung dürfte bei einer wegerechtlichen Widmung als „Verkehrsfläche für den Fuß- und Radverkehr“ die Nutzung der zusätzlich beabsichtigten Verkehrsarten gemäß StVO rechtlich nicht zulässig sein.
Dem Gerichtsurteil des VG Saarlouis vom 26.06.2013 (Az.: 10 K 555/12) folgend, wäre bei einer entsprechenden Widmung als „Geh- und Radweg“ eine entsprechende Freigabe für z.B. Taxen durch Beschilderung als Allgemeinverfügung rechtlich unzulässig, da diese durch wegerechtliche Widmung ausgeschlossen wäre.
Zu beachten ist insbesondere die VwV-StVO, Randnummer 45a, XII:
„Vor der Anordnung von Verkehrsverboten für bestimmte Verkehrsarten durch Verkehrszeichen, wie insbesondere durch Zeichen 242.1 und 244.1, ist mit der für das Straßen- und Wegerecht zuständigen Behörde zu klären, ob eine straßenrechtliche Teileinziehung erforderlich ist. Diese ist im Regelfall notwendig, wenn bestimmte Verkehrsarten auf Dauer vollständig oder weitestgehend von dem durch die Widmung der Verkehrsfläche festgelegten verkehrsüblichen Gemeingebrauch ausgeschlossen werden sollen. Durch Verkehrszeichen darf kein Verkehr zugelassen werden, der über den Widmungsinhalt hinausgeht.“
Nach hiesiger Rechtsauffassung könnte ein Befahren wegerechtlich nur durch Sondernutzungsgenehmigungen und verkehrsrechtlich nur durch Ausnahmegenehmigungen entsprechend § 46 StVO als Einzelgenehmigung erfolgen.
Eine Klärung (aus widmungsrechtlicher sowie straßenverkehrsrechtlicher Sicht) scheint im Vorwege einer etwaigen Umwidmung zwingend geboten!
Abschließend wird festgestellt, dass durch die Einrichtung einer Fußgängerzone nicht alle Verkehrsarten gleichberechtigt den zur Verfügung stehenden Verkehrsraum nutzen können. Dieser Zielkonflikt ist durch Einzelabsprachen zwischen den beteiligten Behörden und Bedarfsträgern zu minimieren oder aufzulösen. Die Straßenverkehrsbehörde wird dies konstruktiv unterstützen.