21-1064

Aktuelle Zahlen der Fälle häuslicher Gewalt Mitteilungsdrucksache zum Beschluss der Bezirksversammlung vom 28.05.2020

Mitteilungsdrucksache öffentlich

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
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27.08.2020
Ö 14.46
26.08.2020
19.08.2020
Sachverhalt

Die Bezirksversammlung Altona hat in ihrer Sitzung vom 28.05.2020 anliegende Drucksache 21-0921 beschlossen.

 

Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) hat hierzu mit Schreiben vom 16.07.2020 wie folgt Stellung genommen:

 

Informationen zur aktuellen Situation im Kontext häusliche Gewalt werden dem Bereich Opferschutz in der Sozialbehörde insbesondere im regelmäßigen Austausch mit der Zentralen Notaufnahme der Hamburger Frauenhäuser, den Frauenhäusern und der geförderten Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt und Stalking, aber auch in behördenübergreifenden Gesprächen, z.B. mit der Behörde für Inneres und Sport, sowie anlässlich diverser Netzwerktreffen mit verschiedenen Akteuren der Opferhilfelandschaft vermittelt.

 

Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass es im Zuge der COVID-19-Pandemie bislang noch keinen signifikanten Anstieg an Meldungen im Kontext häuslicher Gewalt gegeben hat.

 

Weder der Bereich Opferschutz der Sozialbehörde noch die geförderten Beratungsstellen und Frauenhäuser erheben bezirksbezogene Fallzahlen häuslicher Gewalt. Die Erhebung des letzten Wohnortes ist im Kontext der Opferberatung nur relevant, wenn sich hieraus bestimmte zu beachtende Schutzaspekte ergeben, z.B. bei der Entscheidung, in welchem Frauenhaus eine Betroffene untergebracht werden kann. Ansonsten liegt dem Angebot der Opferhilfelandschaft in Hamburg ein gesamtstädtischer Ansatz zugrunde, so dass auch in den jährlich von den Opferberatungsstellen und Frauenhäuser zu meldenden Statistiken keine regionale Aufschlüsselung erfolgt, siehe auch Bürgerschaftsdrucksachen s. 21/19677 und 20/10994. Entsprechende Daten können deshalb nicht zur Verfügung gestellt r werden.

 

Bezüglich der Anliegen mit Verdacht auf Kindeswohlgefährdung (KWG) verweist die Sozialbehörde auf die in Business Objects / Business Intelligence (BO/BI) abgelegte Standardabfrage bzw. auf die Quartalsberichte der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD). Hier werden sowohl die Anliegen mit Verdacht auf KWG, Anliegen mit „gewichtige Anhaltspunkte für KWG sind nicht auszuschließen“ und zum Stichtag ermittelte laufende KWG-Fälle aufgeführt.

 

Wenn gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung nicht auszuschließen sind, wird eine Gefährdungseinschätzung unter den gesetzlich vorgeschriebenen Standards vorgenommen. Das Ergebnis der Gefährdungseinschätzung wird in der amtlichen Statistik der Kinder- und Jugendhilfe, Teil I 8: Gefährdungseinschätzungen nach § 8a Absatz 1 SGB VIII gemäß § 98 Absatz 1 Nummer 13 SGB VIII, erfasst. Die Ergebnisse abgeschlossener Gefährdungseinschätzung, unter anderem auch zur bezirklichen Verteilung, werden dem Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein monatlich übertragen, aber nur als Jahresangabe veröffentlicht. Daten für das Jahr 2020 stehen voraussichtlich ab Juli 2021 zur Verfügung.

Durch die bezirklichen Jugendamt-Controller (JA/CR) in Kooperation mit Dataport können somit Fallzahlen zu Anliegen KWG selbst zusammengestellt werden. Im Übrigen siehe Bürgerschaftsdrucksachen 22/177 und 22/279.

Eine Zusatzerhebung der Gefährdungseinschätzungen gemäß § 8a Abs.1 SGB VIII anlässlich der COVID-19-Pandemie wurde durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) beginnend ab dem Zeitraum Mai initiiert. Die freiwillige Teilnahme an der Zusatzerhebung des Bundesministeriums, bei der es auch um eine wöchentliche Datenlieferung geht, wurde durch die Hamburger Jugendämter, also auch das Jugendamt Altona abgelehnt. Für die Zusatzerhebung werden nun die monatlichen Übermittlungen an das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein ausgewertet und zur Verfügung gestellt, jedoch nicht auf Bezirksebene bezogen.

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass dem Anliegen der Bezirksversammlung aus den o.g. Gründen nicht entsprochen werden kann.

 

Die Behörde für Inneres und Sport (BIS) hat mit Schreiben vom 17.07.2020 wie folgt Stellung genommen:

 

Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die statistische Erfassung eines Falles in der PKS erfolgt mit Abschluss der polizeilichen Ermittlungen durch die für die Endbearbeitung zuständige Dienststelle.

 

Das Phänomen der Beziehungsgewalt zeichnet sich durch seine Deliktsvielfalt aus. Die PKS-Erfassung der Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung erfolgt aber lediglich bei den Delikten, für die ein Opfer erfasst wird. Dies sind mehrheitlich sogenannte Rohheitsdelikte sowie Straftaten gegen das Leben und die sexuelle Selbstbestimmung. Im Gegensatz dazu findet bei anderen Straftaten, die auch typisch für Beziehungsgewalt sind, z.B. Straftaten gemäß § 4 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) (Verstöße gegen eine Schutzanordnung), Beleidigung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Vortäuschen einer Straftat, keine Opfererfassung in der PKS statt.

 

Fälle der häuslichen Gewalt oder der Beziehungsgewalt werden in der PKS nicht gesondert ausgewiesen. Ersatzweise wird die Anzahl der Opfer in der Kategorie Partnerschaften (Ehepartner, eingetragene Lebenspartnerschaft, Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften, ehemalige Partnerschaften) für die ausgewählten PKS-Schlüssel „Gewaltkriminalität“ und „Vorsätzliche einfache Körperverletzung“ dargestellt. Gewaltkriminalität wird in der PKS durch den Summenschlüssel 892000 „Gewaltkriminalität“ dargestellt. Er umfasst folgende Straftatenschlüssel oder Deliktsbereiche:

 

 Mord (PKS-Schlüssel 01****)

 Totschlag und Tötung auf Verlangen (PKS-Schlüssel 0200**)

 Vergewaltigung / sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff  im  besonders

           schweren Fall einschließlich mit Todesfolge (PKS-Schlüssel 111***)

 Raub, räuberische Erpressung und räuberischer  Angriff  auf Kraftfahrer

           (PKS-Schlüssel 21****)

 Körperverletzung mit Todesfolge (PKS-Schlüssel 2210**)

 Gefährliche  und    schwere    Körperverletzung,    Verstümmelung  weibl.  

           Genitalien  (PKS-Schlüssel 222***)

 Erpresserischer Menschenraub (PKS-Schlüssel 233***)

 Geiselnahme (PKS-Schlüssel 234***)

 Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (PKS-Schlüssel 235000)

 

Die PKS ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. In der PKS wird ein Fall in dem Monat gezählt, in dem er erfasst wurde. Die Tatzeit bleibt dabei unberücksichtigt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten Tatverdächtigen oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben. Unterjährige Auswertungen erfolgen immer kumulativ, das heißt, es werden die Summen von Januar bis zum betreffenden Monat gezählt. Zur Gewährleistung eines Mindestmaßes an Validität werden für 2020 die im ersten Halbjahr in der PKS erfassten Straftaten dargestellt.

 

Der Begriff „Wegweisung“ wird bei der Polizei im Sinne des Beschlusses der Bezirksversammlung Altona nicht statistisch auswertbar erfasst. Das Betretungsverbot der Wohnung ist beispielsweise neben dem Kontaktverbot Teil einer Schutzmöglichkeit, gegen die ein Täter verstoßen kann und in § 4 GewSchG geregelt ist. Diese Verstöße werden unter dem PKS-Schlüssel 720011 erfasst. Eine Differenzierung explizit nach dem Betretungsverbot ist nicht möglich.

 

Für den Anstieg der Fälle von „Misshandlung von Kindern“ im Bezirk Altona von einem Fall im 1. Halbjahr 2019 auf acht Fälle im 1. Halbjahr 2020 liegen keine Erkenntnisse über besondere Umstände oder Tatserien vor, die Vergleichszahlen für Hamburg sind nahezu unverändert.

Die Polizei beobachtet fortlaufend die Entwicklungen, insbesondere im Bezirk Altona, und ist sich der besonderen Vulnerabilität der Geschädigten bewusst.

 

Zu den in der PKS erfassten Daten siehe Anlage; im Übrigen siehe Bü-Drs. 22/132.

 

Durch den Shutdown und die damit einhergehenden angeordneten beschränkenden Maßnahmen haben sich viele Menschen überwiegend zu Hause aufgehalten und kaum noch die Wohnung verlassen. Das permanente Zusammenleben auf engstem Raum kann tendenziell zu mehr Konflikten führen, die dann teilweise auch gewalttätig ausgetragen werden.

 

Gemäß Angaben der zuständigen Fachdienststellen ist bislang jedoch in nur wenigen Ausnahmefällen ein direkter Zusammenhang mit den Corona-Beschränkungen (häusliche Enge, Homeoffice, Angst vor Arbeitsplatzverlust) als Auslöser einer Tat zu erkennen. In der großen Mehrheit der Fälle lag der Beziehungsgewalt ein bereits längerfristig bestehendes Beziehungs- oder Trennungsproblem zu Grunde, was im Übrigen auch der Phänomenologie von Beziehungsgewalt entspricht.

 

Eine statistische Erfassung und Auswertungen über wöchentliche Entwicklungen der Fallzahlen häuslicher Gewalt, Kindeswohlgefährdungen sowie Wegweisungen und Betretungsverbote nach § 12b Abs. 1 SOG in den Bezirken ist für die Aufgabenerfüllung der Polizei nicht erforderlich. Gesonderte Auswertungen für den Bezirk Altona sind mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

 

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